Rede von Andrea Bielmeier, Beauftragte für queerpolitische Themen, im Rahmen der Andacht zum Auftakt des CSD am Samstag, 5. August 2023, Beginn 11:30 Uhr, Reformations-Gedächtniskirche am Berliner Platz
Es gilt das gesprochene Wort.
„In den vergangenen Jahren war meine Ansprache immer geprägt von Berichten zunehmenden Hasses und Gewalt in anderen Ländern gegenüber LGBTIQA*: Verfolgung von queeren Menschen in Uganda, bis hin zur Todesstrafe, in Russland, eine erstarkende Bedrohung in Polen, in Ungarn.
In Deutschland haben wir das in diesem Ausmaß nicht gekannt. Nach langem Kampf gab es endlich die Ehe für alle, MSM (Männer, die mit Männern Sex haben) dürfen jetzt auch Blut spenden, das Selbstbestimmungsgesetz ist auf dem Weg.
Alles in Ordnung scheinbar und auf einem guten Weg … Oder haben wir nicht genau hingeschaut?
Schleichend kam eine ausgrenzende Stimmung in rückwärtsgewandten Kreisen auf, die jetzt zu offener verbaler, psychischer, körperlicher und sexualisierter Diskriminierung oder Gewalt führt.
Jetzt wird offen darüber „diskutiert“, was „normal“ ist, wer die „Normalen“ sind, wer zum WIR gehört und wer eben nicht. Und wer zum „Volk“ gehört und wer nicht – erschreckend!
Ein Artikel der ZEIT vom 27.07.2023 thematisiert extreme Demokratieverächter sowie die Rechten in Europa und in diesem Kontext wird von einer „ideologischen Kontinentalplattenverschiebung“ gesprochen.
Jetzt werden bewusst Grenzen des Sagbaren überschritten, beleidigt, bedroht:
Nicht nur die Community, sondern auch deren Unterstützer*innen werden in „sozialen“ Netzwerken auf unterstem Niveau beleidigt, angegangen und sogar mit dem Tod bedroht.
Die Ausstellung „Jesus liebt“ von Rosa von Praunheim wird aus St. Egidien an einen anderen Ort verlegt, dazu ein Zitat von Oliver Marquart, Sonntagsblatt:
Einschlägig bekannte Accounts mit großer Reichweite, die dort täglich Verschwörungsideologien, Queerfeindlichkeit und Rassismus verbreiten, haben das Thema ganz gezielt hochgekocht und ihren Follower:innen zum Fraß vorgeworfen. Das Ziel ist keine kritische Auseinandersetzung mit der Ausstellung, die ja durchaus möglich wäre – wenn man sie denn noch sehen könnte. Ihr einziges Ziel ist es, alles Progressive und Woke zu canceln. Die Kirche ist für sie ein Lieblingsfeind, weil diese in ihren Augen zu liberal, zu tolerant, zu woke geworden ist. Das passt in ihre Erzählung vom Untergang eines verweichlichten, dekadenten Abendlandes.
Aber hat Jesus nicht immer die von der Gesellschaft Ausgegrenzten geliebt?
Auch ein Regenbogen-Überweg in der Königstrasse führt dazu, dass Menschen sich veranlasst sehen, übelste Beleidigungen und Drohungen zu äußern.
Sichtbarkeit, die eigentlich Sicherheit schaffen soll, schafft jetzt wieder Verletzbarkeit
Paare überlegen sich wieder, ob sie händchenhaltend durch die Stadt laufen können oder sich gar in der Öffentlichkeit küssen sollen: Oft fällt die Antwort mit Nein aus: Es ist zu gefährlich.
Das können wir und wollen wir nicht tolerieren, nicht in der Stadt der Menschenrechte und auch sonst nirgendwo.
Jetzt ist die Zeit
Es gilt jetzt die Stimme zu erheben gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. In der Kirche, in der Politik, in der Gesellschaft.
Be proud and loud- jetzt umso mehr!“
Ihre Ansprechpartnerin:
Andrea Bielmeier
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