Liebe Leser:innen,
seit Jahren hat Nürnberg ein großes Problem: Wir sind gemessen an der Bevölkerungszahl Spitzenreiter bei den Drogentoten.
Seit langem setzt sich der Nürnberger Stadtrat, und besonders wir Grüne, dafür ein, endlich neue Wege in der Drogenhilfe zu gehen, den Menschen adäquat zu helfen und diese hohe Zahl an Drogentoten in den Griff zu kriegen. Wir haben uns beispielsweise zusammen mit der SPD für die Einrichtung eines Drogenkonsumraumes, gerne auch als Pilotprojekt, stark gemacht. Dies wurde auf Landesebene leider immer wieder verhindert. Ein weiteres Beispiel ist ein gemeinsamer Antrag mit der SPD zur verbesserten Notfall-Versorgung von Menschen mit Drogenintoxikation.
Gleichzeitig gab es aber auch erfolgreiche Projekte wie das Naloxon-Projekt. Der Wirkstoff Naloxon kann bei einer Opiatüberdosierung als Gegenmittel verabreicht werden. Früher durfte Naloxon nur von Ärzten appliziert werden, diese sind allerdings selten bei einer Überdosierung vor Ort. So wurden Angehörige und Menschen, die in der Drogenhilfe arbeiten, ausgebildet, Naloxon-Nasensprays zu verabreichen. Es gab in Bayern immerhin 92 Fälle, bei denen diese Sofortmaßnahme den Tod verhindern konnte.
Endlich effektivere Hilfe
Im Augenblick scheint sich in Nürnberg und Bayern allerdings wirklich etwas zu bewegen: In den letzten Jahren haben sich alle Player zusammen an einen Tisch gesetzt, also Menschen aus der Drogenhilfe, exemplarisch seien hier Mudra und Lillith genannt, und Ärzt:innen des Klinikums Nürnberg. Sie haben gemeinsam das sogenannte „Nürnberger Modell“ entwickelt, das aus verschiedenen Bausteinen besteht. Ziel ist es, einen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik herbeizuführen, die Anzahl der Drogentoten deutlich zu senken und die medizinischen Strukturen dauerhaft zu entlasten. Dieses Modell konnte in diesem Jahr dem Gesundheitsausschuss des Landtags vorgestellt werden und fand dort bei allen Parteien großen Anklang.
Niedrigschwellige Substitution, die mehr Menschen erreicht
Ein Element des „Nürnberger Modells“ ist das Projekt „SUBPORT“, ein niedrigschwelliges Substitutionsmodell. Es wird voraussichtlich im Oktober in den Räumen der Mudra starten. Für viele Opiatabhängige ist der Einstieg in die Substitution sehr hoch, denn es gibt viele Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um einen Platz zu bekommen. SUBPORT bietet Drogenabhängigen sieben Tage die Woche, zunächst für drei Stunden täglich, die Möglichkeit ohne Anmeldung substituiert zu werden – ohne dass sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen. Ziel ist es, möglichst viele Opiatabhängige an die Substitution bzw. an Strukturen der Drogenhilfe heranzuführen. Daher ist auch die Dauer der niedrigschwelligen Substitution auf höchstens drei Monate festgesetzt.
Das „Nürnberger Modell“ soll Schule machen
Das „Nürnberger Modell“ besteht aus drei Säulen: Prävention, Akutversorgung und Nachsorge. Zur Prävention gehört die Etablierung und Stärkung von „Awareness“-Strukturen an den Schulen, aber auch in der lokalen Gastro-Szene. Der Ausbau von etablierten Projekten wie das Frauencafé und das Naloxonprojekt, das Drug-Checking und „geschützte Räume“ sind fester Bestandteil. Hinter letzterem verbirgt sich letztendlich nichts anderes als die von uns geforderten Drogenkonsumräume. Bei der Akutversorgung geht es um Handlungsleitlinien für Rettungsdienst und Polizei und eine Standardisierung der Behandlung von „Tox-Patient:innen“. Die Nachsorge möchte einen Ausbau suchtmedizinischer Strukturen und Therapieangebote, Maßnahmen zur Reha und Wiedereingliederung etablieren.
Das Besondere: alle Maßnahmen werden evaluiert und mit Forschungsprojekten der Paracelsus- Medizinischen-Privatuniversität des Klinikums Nürnberg begleitet.
Am Ende kann unser „Nürnberger Modell“ dann vielleicht sogar eine Vorreiterrolle in Bayern und darüber hinaus einnehmen. Das wäre ja mal etwas Neues: Nürnberg als Vorzeigemodell einer modernen Drogenhilfepolitik.
Ihre Ansprechpartnerin:
Andrea Friedel
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