„Was alles nicht geht, das haben wir in den letzten Jahren genug gehört. Aber es zählt jetzt, was alles geht, was alles möglich ist.“ (Annalena Baerbock)
Von Erfolgen, aber auch von erforderlichen Anstrengungen konnte Umweltreferentin Britta Walthelm erzählen, als sie über den Klimaschutzfahrplan und die Treibhausgasbilanz im Stadtrat berichtete. Aber ist das Glas, was das Nürnberger Stadtklima angeht, nun voll oder leer? Wir dürfen zunächst registrieren: Nürnberg konnte den Ausstoß von Treibhausgasen deutlich verringern und zwar um knapp 45 Prozent (in Bezug zu 1990). In allen Bereichen wurde Energie eingespart – insgesamt ging der Verbrauch um ein Fünftel zurück. Ausnahme ist hier der Verkehrssektor; dazu aber später mehr.
Dabei ist der geringere Treibhausausstoß auf den gesunkenen Energieverbrauch zurückzuführen; dank gestiegener Effizienz und eines höheren Anteils erneuerbarer Energien am Strom-Mix. Auch wenn dieser Rückgang positiv zu bewerten ist, darf nicht vergessen werden, dass dieses Ergebnis innerhalb der vergangenen 30 Jahre errungen wurde – wir wissen wie mühsam insbesondere die Anfangszeiten des Umwelt- und Klimaschutzes waren. Diese Zeit haben wir jetzt nicht mehr: Nun sind deutlich schnellere Reduktionsschritte dringend geboten: „Unsere Zahlen der Vergangenheit zeigen, dass substantielle Einsparungen auch bei Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum möglich sind. Das aktuelle Tempo der Treibhausgasreduzierung reicht aber definitiv nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten“, erklärt Britta Walthelm. Will Nürnberg dieses erreichen, bleiben nur noch sieben Jahre Restbudget, vorausgesetzt der Ausstoß bleibt wie im Jahr 2019 (siehe Info unten). Dass die Restbudgetierung überhaupt eingeführt wurde, ist einem Antrag der Grünen zu verdanken.
Das sinkende Restbudget – das ist also das große Aber, das halbleere Glas.
Was ist eigentlich das CO2-Restbudget?
Auf grüne Initiative hin wurde das CO2-Restbudget für die städtische Bilanzierung eingeführt. Darunter wird die rechnerische Menge an CO2 verstanden, die in den kommenden Jahren noch ausgestoßen werden darf, um die Erderwärmung einzudämmen, also z. B. das 1,5-Grad-Ziel der Pariser Klimakonferenz einzuhalten.
Es ist leichter verständlich und transparenter als die bisherigen prozentualen Angaben. Beim Restbudget werden konkret diejenigen Mengen an CO2 ausgewiesen, die uns als Stadt noch verbleiben. Ein kontinuierliches Überprüfen von Erfolg und ein Bewusstsein über den Restbestand an noch „auszugebenden“ klimaschädlichen Gasen ist dabei möglich.
Doch wie kann eine deutliche Beschleunigung des Klimaschutzes gelingen?
Mit Sicherheit kann die Kommune das 1,5-Grad-Ziel nicht ohne Unterstützung erreichen. Bund und Land müssen gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen voranbringen – und zwar zügig. Das könnten zum Beispiel eine CO2-Bepreisung mit Lenkungswirkung, ein Ausgleichssystem für Verbraucher*innen mit geringem Einkommen, ein weiterentwickeltes Gebäude-Energiegesetz, der Ausbau des ÖPNV sein oder eine technologieoffene Wärmeplanung. Dazu brauchen die Kommunen ausreichend dotierte Finanzierungsinstrumente, die sie bisher nicht haben.
Doch: Nürnberg ist handlungsfähig und muss das Mögliche tun. Als konkrete nächste Schritte beschloss der Stadtrat daher die Einrichtung eines Klimabeirats sowie die Auf- und Umsetzung eines Integrierten Klimaschutzkonzepts. Dieses sieht unter anderem eine Präzisierung und Verbreiterung der Maßnahmen bezüglich Wirksamkeit, Ressourceneffizienz und Priorisierungen vor. Integraler Bestandteil wird auch die Beteiligung und Aktivierung der Stadtgesellschaft sein.
Grünes Resümee?
Kommen wir auf unsere eingangs gestellte Frage zurück: Ist das Glas nun voll oder leer? Sicherlich eher ein bisschen voller. Denn mit unserer grünen Referentin für Umwelt und Gesundheit haben wir auf kommunaler Ebene einen starken Hebel. Gleichzeitig bemerken wir im Gesamt-Stadtrat ein durchaus gesteigertes Bewusstsein für Umwelt- und Klimafragen, das auch Parteigrenzen überschreitet. „In der laufenden Stadtratsperiode wurden viele wichtige klimarelevante Beschlüsse gefasst, ein Umsteuern ist erkennbar. Wir müssen und werden jedoch den Prozess zur Klimaneutralität für die Gesamtstadt noch einmal stringenter aufsetzen und die Bürger*innen stärker einbinden“, sagt Britta Walthelm. Dieses Umdenken über Parteigrenzen hinweg macht manche Entscheidung leichter, wie die von ihr vorgeschlagenen Beschlüsse zum Klimabeirat und –schutzkonzept zeigen. Ein Gewinn sind auch die zwei zusätzlichen Stellen für Klimamanager*innen, die sich genau um solche Fragen und deren Umsetzung kümmern und übrigens eine Errungenschaft grüner Haushaltsverhandlungen sind.
Sorgenkind bleibt jedoch …
der Verkehrssektor, der mit großem Abstand hinterherhinkt. In Deutschland macht der Verkehr immerhin 19 Prozent aus, eine ebenso relevante, aber auch veränderbare Größe neben dem Gebäudesektor, der Industrie und der Energiewirtschaft.
Die Treibhausgas-Emissionen können nur verringert und Nürnberg dadurch lebenswerter werden, wenn wir den motorisierten Individualverkehr eindämmen können. Schließlich macht dieser noch immer den Hauptteil an den klimaschädlichen Ausstößen mit 58 Prozent aus. Noch höher liegt der Anteil, wenn wir auf die fossilen Energieträger für den Verkehr schauen: Es hat sich hier fast nichts seit 1990 bewegt, der Wert verharrt bei um die 90 Prozent (siehe Abbildung unten).
Wir sehen in Nürnberg gerade in den letzten Jahren eine schleichende Annäherung an den Gedanken, dass das Auto nicht das einzig wahre Fortbewegungsmittel ist, doch bleibt der motorisierte Individualverkehr ein starkes Paradigma. Fuß- und Radverkehr müssen noch viel mehr in den Fokus, das auch noch schnellstmöglich, denn unser Zeitfenster schmilzt bildlich gesprochen dahin. Wir als grüne Fraktion bringen dazu – neben vielen anderen Aktivitäten in Gremien, Ausschüssen etc. – immer wieder Anträge und Diskussionen in den Rat ein (Radinfrastruktur, Stadt der kurzen Wege, Fußgänger-Strategie usw.). Der stete Tropfen höhlt also den Stein, auch wenn es eigentlich schneller gehen müsste und wir nicht auf den Tropfen, der das Fass überlaufen lässt, warten wollen.
Hintergrund zur Endenergie- und Treibhausgasbilanz der Stadt
Bei der Endenergie- und Treibhausgasbilanz handelt sich um eine Fortschreibung, die im Auftrag der Stadt von der Energieagentur Nordbayern GmbH erstellt wurde. Die Bilanz enthält detaillierte Ergebnisse zum Energieverbrauch und THG-Ausstoß der privaten Haushalte, für Handel und Gewerbe sowie für den Verkehrssektor. Erstmals weist der Bericht auch konkrete Berechnungen zum CO2-Budget der Stadt Nürnberg aus.
Ihr Ansprechpartner:
Marc Schüller
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